Barrierefreiheit-Gesetz: Was Ärzte jetzt wissen müssen

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Mario Vogelsteller

Neue gesetzliche Vorgaben für Arztpraxen: Ab dem 28. Juni 2025 gilt in Deutschland das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Es setzt eine EU-Richtlinie um und soll sicherstellen, dass Produkte und Dienstleistungen von Menschen mit Behinderungen ohne besondere Erschwernisse genutzt werden können. Für Ärztinnen und Ärzte mit eigener Praxis ist dieses Gesetz vor allem im Hinblick auf digitale Angebote wie die Praxis-Website, Online-Terminbuchungen oder Patienten-Apps relevant.

Das Ziel ist, dass alle Menschen unabhängig von körperlichen oder altersbedingten Einschränkungen Zugang zu medizinischen Informationen und Leistungen erhalten – und das nicht nur vor Ort in der Arztpraxis, sondern auch online.

Welche Ärzte betrifft das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)?

Das BFSG gilt grundsätzlich für alle Dienstleistungsanbieter, die sich an Verbraucherinnen und Verbraucher richten. Dazu zählen auch Arztpraxen, insbesondere wenn sie digitale Funktionen wie Online-Terminvergabe, Kontaktformulare oder Videosprechstunden über ihre Website anbieten. In solchen Fällen gelten die Anforderungen zur Barrierefreiheit verpflichtend.

Ausgenommen sind Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz unter zwei Millionen Euro. Dennoch empfiehlt es sich auch für kleine Praxen, das Thema frühzeitig zu prüfen, da sich der gesetzliche Rahmen weiterentwickeln kann und der Druck durch Patientenansprüche oder rechtliche Auseinandersetzungen steigen kann.

Digitale Barrierefreiheit in der Arztpraxis

Im Zentrum der gesetzlichen Regelung stehen digitale Erreichbarkeit und Nutzbarkeit. Dazu gehören auch medizinische Dienstleistungen. Dies betrifft in erster Linie die Website der Praxis. Sie muss so gestaltet sein, dass Menschen mit eingeschränktem Seh- oder Hörvermögen, mit motorischen Einschränkungen oder kognitiven Beeinträchtigungen alle Inhalte erfassen und die Website bedienen können.

Dazu gehört beispielsweise, dass Texte klar strukturiert sind, Bilder mit Alternativtexten versehen werden und Videos Untertitel enthalten. Auch Farbkontraste, Schriftgrößen und die Bedienbarkeit per Tastatur oder Bildschirmlesegerät müssen bestimmten Standards genügen. Grundlage dafür ist die Norm EN 301 549, die sich auf die internationalen Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1) stützt.

Von besonderer Relevanz ist auch die sogenannte Barrierefreiheitserklärung. Sie muss auf der Praxis-Website öffentlich einsehbar sein. Sie enthält Angaben dazu, wie barrierefrei das Angebot ist, welche Bereiche (noch) nicht den Anforderungen entsprechen und wie Nutzer auf Barrieren aufmerksam machen können.

Was bedeutet Barrierefreiheit konkret im medizinischen Alltag?

Barrierefreiheit bedeutet nicht nur, dass blinde oder gehörlose Menschen eine Arztpraxis besuchen können. Es geht auch um alltägliche Situationen im Internet. Ältere Patienten können kleine Schriften auf der Website einer Praxis nur schwer lesen, bei Sonnenlicht sind viele Menschen auf dem Smartphone eingeschränkt und motorisch eingeschränkte Personen benötigen eine besonders einfache Navigation. Auch Eltern, die beim Telefonieren oder Surfen im Netz ein Kind auf dem Arm tragen, profitieren von klar strukturierten und gut erreichbaren Informationen auf dem mobilen Endgerät.

Digitale Barrierefreiheit ist somit nicht nur eine Frage der Gesetzestreue, sondern auch ein wichtiger Aspekt der Patientenfreundlichkeit und letztlich ein Qualitätsmerkmal, das das Vertrauen in Ärztinnen und Ärzte stärkt.

Konsequenzen bei Verstößen

Wer die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt, riskiert Bußgelder von bis zu 100.000 Euro sowie rechtliche Auseinandersetzungen. Verbände, Mitbewerber oder Patienten können auf Barrieren aufmerksam machen. Im schlimmsten Fall kann dies zu Abmahnungen oder gerichtlichen Klagen führen. Verbände, Mitbewerber oder Patienten können auf Barrieren aufmerksam machen, was im schlimmsten Fall zu Abmahnungen oder gerichtlichen Klagen führen kann. Zudem können Marktüberwachungsbehörden Kontrollen durchführen und bei Verstößen Maßnahmen ergreifen – bis hin zur Abschaltung bestimmter digitaler Angebote.

Übergangsregelungen und Fristen

Arztpraxen und Kliniken, die bereits heute digitale Angebote bereitstellen, müssen diese bis spätestens zum 28. Juni 2025 auf den aktuellen Stand bringen. Verträge, die vor diesem Datum geschlossen wurden, können noch bis zum 27. Juni 2030 weitergeführt werden. Dennoch empfiehlt es sich, nicht bis zum letzten Moment zu warten, denn gute Barrierefreiheit erfordert Planung, Umsetzung und oft auch technische Anpassungen.

Barrierefreiheit kann das Google-Ranking Ihrer Praxis-Website verbessern

Neben den rechtlichen Anforderungen bringt Barrierefreiheit auch deutliche Vorteile im Bereich der Suchmaschinenoptimierung. Schon heute bevorzugt Google technisch gut umgesetzte, benutzerfreundliche Webseiten – und genau das erfüllt eine barrierefreie Website. Sie lädt schneller, ist besser strukturiert und bietet eine klare Navigation.

Das bedeutet für Arztpraxen: Wenn sie ihre Website barrierefrei gestalten, wird diese für Suchmaschinen besser lesbar und erreicht dadurch mehr Sichtbarkeit im Netz.

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Zudem sprechen Sie eine breitere Zielgruppe an. Gerade ältere Menschen, Menschen mit Seh- oder Hörbeeinträchtigungen oder mit eingeschränkter Feinmotorik profitieren von einer barrierefrei gestalteten Website. Wenn diese Nutzergruppe Ihre Inhalte problemlos erfassen und z. B. einen Termin online buchen kann, steigt die Chance, dass aus einem Websitebesucher ein neuer Patient wird.

Was Arztpraxen jetzt konkret tun sollten

Im ersten Schritt sollten niedergelassene Ärzt:innen und Kliniken eine Ist-Analyse durchführen. Wie barrierefrei ist unsere Website aktuell? Sind Buchungssysteme, Videosprechstunden oder Informationen zum Praxisablauf barrierefrei nutzbar?

Anschließend sollten interne Ansprechpartner geschult und mit den Anforderungen vertraut gemacht werden. Barrierefreiheit lässt sich nicht „nachträglich“ schnell einbauen, sondern sollte von Anfang an in Design, Entwicklung und Betrieb digitaler Angebote integriert sein.

Jetzt starten – nicht warten

Barrierefreiheit ist mehr als nur eine gesetzliche Verpflichtung. Sie zeigt Wertschätzung gegenüber allen Patientinnen und Patienten und sorgt dafür, dass medizinische Leistungen ohne Hürden, Missverständnisse oder technische Probleme für möglichst viele Menschen zugänglich sind.

Wer rechtzeitig handelt, schützt sich nicht nur vor Abmahnungen, sondern verbessert auch den digitalen Auftritt der Praxis. Das zahlt sich in puncto Patientenbindung, Vertrauen und Effizienz aus.